Ausstellungseröffnung »The Primordial Cities Initiative« von Jonathon Keats im Berliner STATE Studio

Zur letzten Ausstellung im Jubiläumsjahr der Reihe »Wissenschaft und Kunst im Dialog« der Fraunhofer-Gesellschaft mit dem STATE Studio in Berlin, strömten wieder zahlreiche Besucher. Der international bekannte Philosoph und Konzeptkünstler Jonathon Keats stellte sein Projekt »Primordial Cities« vor, das im Rahmen des Fraunhofer »Artist in Lab«-Programms am Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP entstand. Das revolutionäre Stadtplanungsschema bot bis Mitternacht Stoff für zahlreiche Gespräche.

© Anne Freitag
State Studio Berlin Jonathon Keats Primordial Cities Initiative

Mit seinem Projekt »Primordial Cities« stellte Jonathon Keats ein aus philosophischer Sicht revolutionäres Stadtplanungsschema vor, das die Konsequenzen des Klimawandels städtebaulich neu denkt: Wenn Menschen ihren Blick auf die ersten Lebensgemeinschaften der Erde richten, können sie viel lernen. Diese Bakterienkolonien begannen bereits vor rund dreieinhalb Milliarden Jahren damit, fein geschichtete Sedimentgesteine aus Kalk zu schaffen, sogenannte Stromatolithe. Bei den fossilen Überresten handelte es sich um erste Ökosysteme. Die diversen Bakterienarten koexistierten nicht nur, sondern kooperierten auch miteinander. Die komplexen und anpassungsfähigen Strukturen der Stromatolithe erlaubten es ihnen, den feindlichen Bedingungen der Umwelt zu trotzen.

Die Initiative »Primordial Cities« orientiert sich an diesem Vorbild. Unterstützt von wissenschaftlicher Methodik untersucht das Projekt von Jonathon Keats die Idee, Städte angesichts der durch den Klimawandel verursachten Belastungen jederzeit voll funktionsfähig zu halten. Auf Grundlage des Konzepts der Paläobiomimikry – der Biomimesis urzeitlicher Lebensformen – entwickelt Keats ultra-resiliente Formen von Architektur und Infrastruktur. Diese sind inspiriert von den strukturellen, organisatorischen und metabolischen Innovationen der Stromatolithen-Lebensräume. Die architektonischen Visionen des Projekts sollen dazu anregen, über mögliche Zukunftsszenarien nachzudenken und gleichzeitig eine Kultur der phantasievollen Planung fördern.
 
In der von Christian Rauch, Direktor des STATE Studios, geführten Diskussionsrunde erläuterte Jonathon Keats die Idee einer 1000-jährige Kamera, welche den Klimawandel aufzeichnen soll. Die Rede war auch von einem »photosynthetisches Restaurant« zur Entwicklung von pflanzlichen Organismen. Der Experte für Stromatolithen, Dr. Richard Hofmann vom Museum für Naturkunde Berlin, und BSc Sebastian Stadler von der Gruppe Stadtbauphysikalische Modellierung des Fraunhofer IBP brachten ebenfalls spannende Aspekte in die lebhafte Podiumsdiskussion. So bezeichnete Richard Hofmann die Stromalithen als »History of book, written in stone!«. Denn Stromalithen kommen nur unter extremen Umweltbedingungen vor. Daraus lassen sich verlässliche Klimadaten ableiten, die vor Milliarden Jahren geherrscht haben. Noch heute gibt es an extremen Stellen Stromalithen, beispielsweise am Toten Meer. Sebastian Stadler hat an der Entwicklung des Stadtmodells Shanghai intensiv mitgearbeitet und so konnte der Meterologe viele Details vermitteln, etwa wie Wasser zur Kühlung von erhitzten Metropolen beiträgt und die Temperaturen bis zu fünf Grad gesenkt werden können oder ob heutige Baumaterialen den außergewöhnlichen Belastungen überhaupt standhalten.
 
Fazit ist: Es hat sich wieder einmal gezeigt, dass Wissenschaft und Kunst viele Berührungspunkte haben. Begegnen sie sich auf Augenhöhe, können beide Disziplinen voneinander profitieren, indem sie neue Sichtweisen und kreative Lösungsstrategien entfalten.